Der 1. Mai hat Corona – Für Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Bundeskanzler!

| Daniel Uhl | Leave a Comment

Trotz aller Widrigkeiten, die 2020 mit sich gebracht hat, blicken wir auf einen hoch gefeierten 1. Mai zurück. Der „Tag der Arbeit“, der als Feiertag wie kaum ein anderer historisch gewachsen und vor allem erkämpft wurde.

Alles begann am 1. Mai 1886, als die Gewerkschaften in den USA einen mehrtägigen Streik für bessere Arbeitsbedingungen mit dem Ziel eines Achtstundentags organisierten. Im ganzen Land legten rund 400.000 Menschen die Arbeit nieder. Bei Gefechten und schweren Auseinandersetzungen wurden hunderte Arbeiter verletzt, rund 20 starben. Auf dem Gründungskongress der Zweiten Internationale 1889 wurde dann der 1. Mai in Gedenken an die Opfer der Haymarket-Gefechte zum „Kampftag der Arbeiterbewegung“ ausgerufen.

Aber ist es, wenn wir den Blick ins Jetzt richten, überhaupt noch zeitgemäß diesen Feiertag als das zu feiern was er einst war, nämlich als Symboltag des Klassenkampfes?

Ja, definitiv. Denn im Vergleich zu all den Jahren davor, ist dieses Jahr um so einiges anders: Wir befinden uns mitten in einer globalen Pandemie von historischem Ausmaß. Unser Bundeskanzler gibt sich schon seit Wochen in einer perfekt inszenierten One-Man-Show als der kompetente Krisenmanager, der mit vollster Entschlossenheit Herr über die Corona-Krise wird. Soweit zum kontrollierten öffentlichen Bild – aber wie sieht es eigentlich hinter der bereits bröckelnden Fassade aus?

Die Corona-Krise als Verteilungskrise

Gerade die Folgen der gesetzten Maßnahmen legen offen, wie sich unsere Gesellschaft momentan mehr denn je mitten in einem Klassenkampf befindet: Social Distancing findet nicht nur zwischen Menschen im Alltag, sondern auch zwischen oben und unten statt.

Es sind die bessergestellten Schichten, die in den Corona-Hotspots Skiurlaub machten und dann ins abgeschirmte Home-Office wechselten, während die „HacklerInnen“ draußen bleiben und die Grundversorgung sichern müssen. Allgemein weiß man jetzt schon, dass die Folgen ungleich verteilt sein werden, da unterschiedliche soziale Schichten ungleich stark von der Krise getroffen werden. Die Notlage der Oberschicht äußert sich in der mangelnden Internetgeschwindigkeit im Home-Office während bei den Menschen am unteren Ende der Nahrungskette Existenzängste vorherrschen. Somit ist die Corona-Krise gleichsam eine Verteilungskrise.

Mit dem Coronavirus geht eine tiefe Wirtschaftskrise einher. Es ist zu einem Anstieg der Arbeitslosigkeit gekommen, wie ihn die zweite Republik seit 1945 nicht mehr erlebt hat. Nach Einführung der umfassenden Corona-Maßnahmen sind innerhalb einer Woche rund 100.000 ArbeitnehmerInnen arbeitslos gemeldet worden. Auch über 300.000 Ein-Personen-Unternehmen bangen derzeit um ihre Existenz, weil über ihre finanzielle Unterstützung nach wie vor keine Klarheit herrscht. Indessen beklagen sich nun Manager der deutschen Automobilindustrie über gefährdete Bonuszahlungen. Wegen der Rekordergebnisse des vergangenen Jahres versprachen VW und Audi ihren Managern nämlich um 12 bzw. 13 Prozent höhere Boni als noch im Vorjahr. Mitleid muss man keines haben, denn auch in Österreich ist das Verhältnis zwischen Vorstandsvergütungen und mittlerem Lohn 2019 auf 1:64 angewachsen.

Home-Office gilt nicht für alle

All jene, die aktuell weiterarbeiten müssen, würde dies wohl auch lieber in den eigenen vier Wänden machen. Studien belegen allerdings, dass manche Bevölkerungsgruppen eher die Möglichkeit für Heimarbeit haben als andere. Für die USA zeigen die Daten, dass im obersten Einkommensviertel über 60 Prozent die Möglichkeit für Home-Office haben, im untersten Einkommensviertel hingegen weniger als 10 Prozent. In Deutschland variiert die Möglichkeit für Heimarbeit zwischen Bildungsstufen erheblich: Für 82 Prozent der Menschen ohne Berufsausbildung, 64 Prozent mit Lehr- oder Fachschulabschluss und 23 Prozent der AkademikerInnen erlaubt der Arbeitsplatz keine Arbeit von daheim. Darüber hinaus stellt sich natürlich auch die Frage der Wohnverhältnisse und wer sich überhaupt einen Arbeitsplatz zu Hause einrichten kann.

Für viele ArbeitnehmerInnen gibt es also selbst in dieser Krisenzeit keine Möglichkeit, die Lohnarbeit zu Hause zu leisten – weil sie vor Ort die Grundversorgung der Bevölkerung mit Gesundheit, Lebensmitteln, Mobilität, Energie und Sicherheit sichern. Es sind die ÄrztInnen und PflegerInnen, die Supermarktangestellten und Öffi-LenkerInnen, die Beschäftigten bei Polizei, Feuerwehr und Müllabfuhr, die die HeldInnen der Krise sind. Und auffallend ist: Die Menschen, die Österreich aktuell am Laufen halten, sind überwiegend weiblich und meist schlecht bezahlt. So liegt das monatliche Einstiegsgehalt einer Einzelhandelskauffrau bei 1.600 Euro brutto, und das einer Pflegekraft im Krankenhaus unter 2.000 Euro brutto. In der Krise zeigt sich nun umso deutlicher, dass diese wichtigen Berufe oft mit schlechten Arbeitsbedingungen einhergehen und es stellt sich die Frage: Verstehen wir endlich, wie wichtig diese Berufe sind? Und dass diese in naher Zukunft deutliche Verbesserungen brauchen, wie etwa eine Reduktion der Wochenstunden und wesentlich höheren Löhne.

Was tut unser Bundeskanzler wirklich für die „HeldInnen der Krise“?

Um die Folgen des Coronavirus bestmöglich abzufangen – in einer Art und Weise die der Verteilungsungerechtigkeit entgegen wirkt – müsste unser Bundeskanzler schnell und ebenso entschlossen gegensteuern. Um Arbeitsplatzsicherheit zu schaffen, müssten die Mittel für Kurzarbeit und kleine Selbständige eine rasche Aufstockung der Gelder erfahren. So sollten alle gut durch die Krise kommen.

Für die über 600.000 Arbeitslose in Österreich, welche die Corona-Krise hervorgebracht hat, wäre es enorm wichtig, das Arbeitslosengeld zu erhöhen. So würden wir nicht nur diesen Menschen, sondern auch der Wirtschaft als Ganzes, helfen die gesamtwirtschaftlichen Folgen dieser Pandemie zu überstehen. Denn wer gerade keine Arbeit hat, wird in dieser Krisenzeit auch keine finden. Firmen werden aus Vorsicht niemanden einstellen. Gleichzeitig kann es gut sein, dass manche Dinge durch die Krise teurer werden. Generell sollten Menschen mit geringem Einkommen „ein bisschen mehr im Geldbörsel“ haben, was ebenso dem Hochfahren der Wirtschaft entgegenkommen würde. Die Bundesregierung lässt diese Bevölkerungsgruppe jedoch im Stich: Gerade das Drittel mit dem kleinsten Einkommen profitiert von den aktuellen Vorschlägen zur Steuerreform überhaupt nicht.

Vermögenssteuern zur Bewältigung der Corona-Krise

All diese Maßnahmen zur Bewältigung der Krise werden die öffentlichen Haushalte stark belasten. Je nachdem, wie lange der nationale Gesundheitsnotstand dauert und wie hoch die Ausgaben schließlich sein werden, könnte dies ausreichen, um geplante Steuersenkungen abzusagen. Bei einer längeren Dauer der Krise dürfen die Kosten aber nicht den ArbeitnehmerInnen aufgebürdet werden, die heute zu Recht als HeldInnen der Krise gefeiert werden. Auch wenn Neoliberale wie immer vorsorglich vor Vermögenssteuern warnen, legt die unterschiedliche Betroffenheit von der Krise nahe, dass die Reichsten der Gesellschaft einen Beitrag zur Krisenbewältigung leisten müssen. Nach wie vor ist Österreich eines der Schlusslichter unter den Industriestaaten, wenn es um vermögensbezogenen Steuern geht. Historisch haben Steuern auf große Vermögen immer wieder dazu beigetragen, die Kosten von Krisen nicht nur auf den Schultern der ArbeitnehmerInnen zu finanzieren.

Ein Beispiel sind die sogenannten „Breitner-Steuern“ im Roten Wien. Als Hugo Breitner 1920 das Amt des Stadtrats für das Finanzwesen übernahm, war Wiens Finanzlage durch den Ersten Weltkrieg katastrophal. Seine Antwort auf die Finanzmisere war ein Mix aus Luxussteuern. In erster Linie wurden Steuern auf den aufwändigen Lebensstil der Reichen eingehoben. Die Lustbarkeitsabgabe besteuerte Besuche in Nachtlokalen, Bars, Kabaretts, Konzertveranstaltungen sowie Pferderennen, Boxkämpfe und Tanzkurse. Eine stark progressive Wertzuwachsabgabe erfolgte auf die Wertsteigerung von Immobilien bei deren Verkauf. Zudem wurden eine Hauspersonalabgabe auf das Dienstpersonal sowie eine nach PS gestaffelte Kraftfahrzeugsteuer eingeführt. So konnte aus der Krise des Weltkriegs der Keim des heutigen Wohlfahrtsstaates finanziert werden. Daran sollten wir uns erinnern, wenn sich die Frage nach einer gerechten Finanzierung der Krisenkosten stellt. Und genau für all diese Punkte ist es notwendiger denn je den „Tag der Arbeit“ als genau das zu begehen, was er immer schon war und mehr denn je ist: die Gelegenheit, an die Geschichte der Arbeiter zu erinnern, Missstände anzuprangern und Verbesserungen zu fordern.

Daniel Uhl